Felix Würsten & Judith Fahrni

24. Okt. 20234 Min.

Vier Schlüssel zur Ekstase

Ekstase, der magische Zustand des «Ausser sich Seins», fasziniert die Menschen seit jeher. In allen Zeiten und quer durch alle Kulturen spielen ekstatische Zustände eine wichtige Rolle. Ekstase ist ein universelles Thema, die Sehnsucht danach ein zutiefst menschliches Bedürfnis.

Faszinierend und unheimlich

Die Faszination ist verständlich. Ekstase verbinden wir mit Begriffen wie Verzückung, intensive Begeisterung, überwältigendes Glück, unbeschreibliche Euphorie, Rausch und rasende Lust, aber auch mit spiritueller Grenzerfahrung und einem Gefühl der tiefen Verbundenheit mit allem und jedem.

Ekstase hat auch Schattenseiten, vor denen sich viele Menschen fürchten: Taumel und Delirium bis hin zum Wahn, Sucht und Abhängigkeit, Grenzauflösung und Selbstzerstörung sind Begriffe, die sich ebenso mit Ekstase verbinden lassen. Kein Wunder wird das Erleben von ekstatischen Erfahrungen in fast allen Kulturen streng kontrolliert und häufig auf klar definierte Rituale beschränkt. Oft sind diese Rituale mit dem Konsum von Substanzen verbunden, die unser Bewusstsein verändern und es uns erleichtern, den angestrebten Zustand zu erreichen.

Ekstatische Erfahrungen können aber auch ohne Substanzen gemacht werden: im Tanz oder in der Musik erleben viele Menschen solche magischen Momente, auch bei körperlichen Grenzerfahrungen und in der Sexualität. Wie heftig, aber auch zwiespältig ekstatische Erfahrungen hier sein können, widerspiegelt sich im französischen Ausdruck für den Orgasmus: la petite mort, der kleine Tod.

Und wie ist es bei dir?

Wie und wann erlebst du Ekstase in deinem Leben? Benötigst du eine Anregung von aussen, beispielsweise laute Musik, intensive körperliche Anstrengung, ausufernde Tänze, vielleicht unterstützt von Rauschmitteln, die dich scheinbar mühelos deine Grenzen überwinden lassen?

Oder verbindest du Ekstase eher mit Stille, Langsamkeit, Meditation? Und wie erfährst du Ekstase in deiner Sexualität? Vielleicht erlebst du sie zwar als lustvoll und sinnlich, aber sehnst dich doch nach intensiveren Erlebnissen, die dich wirklich schweben lassen und dich in Trance versetzen.

Du hast es in der Hand

Die gute Nachricht ist: Du hast es selber in der Hand, ob du solche Zustände erleben wirst – und zwar ohne Hilfe von Substanzen oder äusseren Impulsen. Vier elementare Schlüssel können dir die Türe zu ganz neuen Erfahrungen öffnen – und du hast sie, wenn du dich an sie erinnerst, sogar immer zur Hand.

Der erste Schlüssel: Dein Atem

Atem bedeutet Lebensenergie. Atem bedeutet aber auch Verbindung und Strömen. Wenn du während dem Liebesspiel bewusst auf deinen Atmung achtest und dich über eine entspannte Bauchatmung weit werden lässt, kann sich die sexuelle Energie besser in deinem Körper ausbreiten. Eine bewusste Atmung hilft dir auch, die Anspannung loszulassen, gerade wenn es auf den Höhepunkt zu geht.

Der zweite Schlüssel: Deine Bewegung

Wir Menschen verfügen über ein bemerkenswert vielfältiges Bewegungsrepertoire. Doch in der Sexualität lassen viele Menschen dieses Repertoire links liegen, gerade wenn es Richtung Höhepunkt geht. Ihre Bewegungen werden mechanisch, gleichförmig, verbunden vielleicht mit einer hohen Muskelanspannung oder einem schnellen Tempo. Dadurch erreichen sie zwar den Höhepunkt, aber sie werden gleichzeitig auch eng und eingeschränkt – und verhindern so, dass sie einen ekstatischen Zustand erleben.

Nutze deine Bewegungen gezielt, damit sich deine Energie im ganzen Körper ausdehnen und jede Zelle deines Körpers mitschwingen kann.

Am besten eigenen sich dazu wellenförmige Bewegungen, die den ganzen Körper einbeziehen. Vielleicht reduziert sich am Anfang dadurch die Erregung, weil du die Spannung automatisch loslässt. Aber mit der Zeit wirst du merken, dass dich das der ersehnten Ekstase näher bringt.

Übrigens: Du brauchst dazu keine akrobatischen Fähigkeiten und auch keine exotischen Kamasutra-Stellungen. Vergiss diese Ideen und lass dich einfach von deinem Körper führen.

Der dritte Schlüssel: Deine Stimme

Dass wir auf ganz verschiedene Art Töne und Laute machen können, gehört ebenfalls zu den besonderen Fähigkeiten von uns Menschen. Wenn wir unsere Stimme brauchen, dann äussern wir uns, lassen das, was uns im Inneren bewegt, nach aussen treten.

Erinnere dich, dass das Wort Ekstase aus dem Griechischen kommt und «Aus sich heraustreten» bedeutet. Deine Stimme hilft dir, wirklich aus dir herauszutreten, den Raum um dich herum zu füllen und gleichzeitig loszulassen von all dem, was dich in deinen Gedanken festhält.

Keine Angst: Es braucht kein wildes Geschrei dazu, das die Nachbarn erschreckt. Auch leise Töne können bereits eine grosse Wirkung entfalten. Probiere es aus, du wirst den Unterschied merken.

Der vierte Schlüssel: Deine Wahrnehmung

Das Faszinierende an der Ekstase ist, dass wir in diesem Zustand alles loslassen, was uns beschäftigt. Wir sind ganz mit dem Moment verbunden und allem, was uns hier und jetzt umgibt. Ekstase bedeutet, alles zu vergessen, was gewesen ist und was sein wird.

Ein wichtiger Schlüssel, der dich ganz mit dem Moment verbindet, ist deine sinnliche Wahrnehmung – auf allen Ebenen. Denn wahrnehmen kannst du nur, was jetzt gerade ist. Und je besser es dir gelingt, einfach wahrzunehmen, ohne dass du das verstehen oder einordnen musst, desto besser kannst du loslassen – und umso leichter fällt es dir, den magischen Zustand der Verzückung zu erleben.

Schritt für Schritt

Vielleicht scheint das alles etwas viel auf einmal zu sein. Oder du merkst, dass du die vier Schlüssel wieder vergisst, wenn das Liebesspiel etwas energievoller wird. Lass dich nicht entmutigen. Es geht nicht darum, die «perfekte» Ekstase zu erleben (was immer das sein soll).

Lasse dich einfach mit deinem Atem, deiner Bewegung, deiner Stimme und deiner Wahrnehmung weit werden – und freue dich an dem, was sich dabei zeigen wird.

Probiere es aus: Was passiert, wenn du mit diesen vier Schlüsseln experimentierst? Wenn du magst, dann teile deine Erfahrungen doch hier in den Kommentaren mit uns. Wir sind gespannt auf deine Rückmeldungen.

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